Hessen und Olympia 72

Im Jahr 2022 feiern die Olympischen Spiele 1972 in München ihr 50-jähriges Jubiläum. Es waren besondere Spiele – die bis heute letzten in Deutschland. 27 Jahre nach Kriegsende wollte sich die noch junge Bundesrepublik weltoffen und freundlich präsentieren, einen Gegenpol zu den Spielen von Berlin 1936 schaffen – von der Architektur des Olympiaparks bis zum Design der Bildsprache der Spiele. Und es waren die Spiele, die vom Attentat auf die israelische Mannschaft überschattet wurden.

Von München 72 gibt es viele Linien, die direkt oder indirekt nach Hessen führen – Menschen nahmen als Sportlerinnen und Sportler an den Wettkämpfen teil, fungierten in Betreuer- und Trainerteams, als Offizielle oder waren als Journalistinnen und Fans live in München dabei. Einige von Ihnen werden hier vorgestellt.

Fußball
Bernd Nickel

Bernd Nickel

Fußball

Bernd Nickel begann seine Karriere 1957 beim SV Eisemroth, bereits mit 13 Jahren spielte er hier in der A-Jugend. 1966 wechselte er zur Eintracht an den Riederwald, das erste Mal in der Bundesliga spielte er am 9. März 1968 bei der 0:3-Niederlage in München. Bis 1972 spielte Bernd Nickel bei der Eintracht nicht als Profi, sondern als „Olympia-Amateur“. Insgesamt bestritt er 41 Amateurländerspiele. Bei den Olympischen Spielen 1972 war Nickel bei allen bundesdeutschen Spielen dabei und erzielte mit 6 Toren genauso viele Tore wie Oleh Blochin. Nachdem das deutsche Olympiateam in der Gruppe 1 gegen Marokko, Malaysia und die USA gewonnen hatte und sich als Tabellenerster für die Zwischenrunde qualifizierte, folgte dort das Aus - nach einem 2:3 gegen die DDR.

Bei Olympischen Spielen reichte es für „Dr. Hammer“, wie Bernd Nickel wegen seines strammen Schusses in Fußballdeutschland längst genannt wurde, nicht zu Siegerehren. Doch 1974 feierte er mit der Eintracht den ersten DFB-Pokalsieg. Insgesamt gewann Bernd Nickel mit der Eintracht dreimal den DFB-Pokal und einmal den Uefa-Cup. In 541 Pflichtspielen erzielte er 179 Tore. Und Dr. Hammer gelang einmaliges: Von jedem Eckpunkt des Waldstadions verwandelte er einen Eckball direkt ins Tor.

Bernd Nickel wechselte 1983 von der Eintracht zu den Young Boys Bern, ein Jahr später beendete er seine aktive Karriere. In Frankfurt eröffnete er 1975 den Eintracht-Shop in der Bethmannstraße, den ersten Fanshop in Deutschland.

Am 27. Oktober 2021 verstarb Bernd Nickel im Alter von 72 Jahren.

Speerwurf
Dr. Günter Glasauer

Dr. Günter Glasauer

Speerwurf

Die Erinnerung an den Speerwurf der Männer bei den Spielen in München ist natürlich geprägt durch den Olympiasieg von Klaus Wolfermann. Dass noch ein zweiter bundesdeutscher Starter an dem Wettkampf teilgenommen hat, ist hingegen fast schon in Vergessenheit geraten, zumal er sich auch nicht für den Endkampf qualifizieren konnte und am Ende den 17. Platz belegte. Die Rede ist von Günter Glasauer, der in Wetzlar geboren und groß geworden war, damals jedoch schon in Heidelberg trainierte.

Glasauer war jedoch nicht nur Speerwerfer, sondern vielseitig sportlich aktiv. Zunächst spielte er in seiner Geburtsstadt Fußball, dann kam der Basketball hinzu und schließlich die Leichtathletik, wobei er sich vor allem auf die Wurfdisziplinen konzentrierte. Insbesondere der Speerwurf hatte es ihm angetan, in dem er nach dem Deutschen Juniorentitel 1969 zwei Jahre später bereits den 3. Platz bei den Titelkämpfen der Senioren belegen konnte. Glasauer konnte über 80 Meter weit werfen und schaffte so auch die Qualifikation für München. Seine Speerwurfkarriere musste er aufgrund einer Verletzung jedoch schon 1974 beenden. Allerdings blieb der Basketball und auch hier war er so gut, dass er schon bald im Kader des USC Heidelberg stand, seinerzeit noch deutscher Rekordmeister und ein Spitzenteam der Bundesliga.

Das Lehramtsstudium, Sport und Geografie, führte Glasauer schließlich nach Speyer, wo er an einem Gymnasium unterrichtete, die Basketballabteilung des örtlichen Turn- und Sportvereins langsam aber sicher zu einer der bundesweit erfolgreichsten Ausbildungsstätten für den Nachwuchs machte, sich im rheinland-pfälzischen Basketballverband als Leistungssportbeauftragter engagierte und die Senioren des TuS Speyer als Trainer in die 2. Bundesliga führte. Basketball war schließlich auch das Thema seiner Dissertation, die er 2003 abschloss, bevor er sich 2008 altersbedingt aus dem Schuldienst verabschiedete. Glasauer, der heute in Wien lebt, ist auch Träger der Verdienstmedaille des Landes Rheinland-Pfalz.

Basketball
Dr. Karl Ampt

Dr. Karl Ampt

Basketball

In Gießen spielte man bereits vor dem 2. Weltkrieg in organsierter Form Basketball und spätestens Mitte der 1960er Jahre zählte man beim Spiel unter den Körben zur nationalen Spitze. Aushängeschild war der MTV 1846 und die Basis eine beispielhafte Nachwuchsarbeit. Der junge Karl Ampt war einer derjenigen, dem dieser Umstand zu Gute kam.

Der gebürtige Marburger, der jedoch in Gießen aufwuchs, wechselte vom Handball und Rudern zum Basketball und wurde, talentiert wie er offensichtlich war, mit den MTV bereits 1966 und 1967 Deutscher Juniorenmeister. Der anschließende Sprung zu den Senioren gelang ihm ohne größere Probleme und im Jahr darauf konnte er so auch seinen ersten Seniorentitel feiern, dem sich im Jahr darauf der Pokalsieg anschloss. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Student der Zahnmedizin auch schon in der Nationalmannschaft debütiert und galt als einer der Kandidaten für das bundesdeutsche Olympiateam.

Der 1,90 Meter große Flügelspieler, der seine Stärken sowohl in der Verteidigung wie im Angriff hatte und zudem mit einem sicheren Distanzwurf ausgestattet war, mit dem er mitunter Spiele alleine entscheiden konnte, zählte dann beim Olympischen Basketballturnier, bei dem er acht von neun Spielen bestritt, zu den positiven Überraschungen in der deutschen Mannschaft. Umso erstaunlicher war es, dass er anschließend nicht mehr ins Nationalteam berufen wurde und seine internationale Karriere deshalb schon 1972 – und nach genau 60 Länderspielen – endete.

Mit dem MTV 1846 Gießen feierte Ampt 1973 einen weiteren Pokalsieg und wechselte dann aus beruflichen Gründen für zwei Jahre nach Bamberg, bevor er zum Abschluss seiner Karriere 1978 in Gießen noch einmal Deutscher Meister wurde. Anschließend praktizierte er in Gießen erfolgreich als Zahnarzt, spielte noch ein wenig bei den Alten Herrn und engagierte sich auch lange für den Erhalt des Basketballstandort Gießen.

Fußball
Egon Schmitt

Egon Schmitt

Fußball

Egon Schmitt wechselte 1965 von seinem Jugendverein SG Dietesheim zu den Offenbacher Kickers, mit denen er 1968 aus der zweitklassigen Regionalliga Süd erstmals in die Bundesliga aufstieg. Nach dem sofortigen Abstieg gelang ihm mit dem OFC 1970 der Wiederaufstieg. Im gleichen Jahr führte er die Kickers als Kapitän zum Pokalsieg gegen den 1. FC Köln. Seit 1967 war der Offenbacher Libero eine feste Größe in der deutschen Fußballnationalmannschaft der Amateure, die als Vertreter des Gastgeberlandes ohne Qualifikation an den Olympischen Spielen 1972 teilnehmen konnte. Trainer Jupp Derwall bereitete sein Team durch Freundschaftsspiele auf die große Aufgabe vor. Schmitt freute sich riesig auf Olympia. Und in München hatte er prominente Mitspieler: Uli Hoeneß, Ottmar Hitzfeld, Manfred Kaltz, sowie die drei Frankfurter Jürgen Kalb, Bernd Nickel und Günter Wienhold agierten an seiner Seite. Die Bundesligaspieler galten als Vertragsamateure, die Ostblockvertreter schickten die jeweiligen A-Nationalmannschaften – und machten die Medaillen unter sich aus.

Schmitt war der Kapitän der Olympia-Mannschaft, die sich durch drei Siege in der Vorrunde gegen Malaysia, Marokko und der USA vor 70.000 Zuschauern im Olympiastadion den Gruppensieg holte. Das Unentschieden gegen Mexiko, die Niederlage gegen Ungarn und das knappe 2:3 gegen die DDR in der Zwischenrunde besiegelten jedoch das Aus. Acht Minuten vor dem Ende fiel der Siegtreffer, ein Remis hätte der Bundesrepublik zum Weiterkommen gereicht.

Durch die Olympischen Spiele verpasste Schmitt die Saisonvorbereitung mit seinen Kickers und wurde von Trainer Gyula Lorant zunächst nicht berücksichtigt. Daraufhin wechselte er zum 1. FC Saarbrücken in die Regionalliga, stieg mit Felix Magath an seiner Seite in die Bundesliga auf und wurde im Saarland heimisch. Für die Amateur-Nationalmannschaft, die 1979 aufgelöst wurde, spielte er noch bis 1978 und wurde deren Rekordspieler mit 79 Einsätzen. 1981 beendete der gelernte Radio- und Fernsehtechniker seine Karriere nach 165 Bundesligaspielen und 163 Einsätzen in der 2. Bundesliga. Noch heute lebt Egon Schmitt in Saarbrücken und engagiert sich weiterhin bei seinem alten Klub. Ein Angebot der Eintracht lag erstaunlicher Weise nie auf dem Tisch.

Plexiglas
Fa. Röhm

Fa. Röhm

Plexiglas

Unter den zahlreichen, markanten visuellen Merkmalen der Spiele von München nimmt das Zeltdach des Stadions und der umliegenden Gebäude eine besondere Position ein. Die scheinbar schwebende Seilnetzkonstruktion sollte die Leichtigkeit und Offenheit der jungen Bundesrepublik symbolisieren. Sie wurde zu einem der Markenzeichen der Spiele und des Olympiaparks. Und verbindet die Olympia-Schwimmhalle, die Olympiahalle und Teile des Olympiastadions sowie die Zwischenwege der Sportstätten. Die 74.800 Quadratmeter große Dachlandschaft besteht aus Seilnetzen, die an bis zu 80 Meter hohen Pylonen aufgehängt sind.

Das verbaute Plexiglas stammt aus Hessen – die Firm Röhm in Darmstadt stellte die transparenten, vier Millimeter dicken Platten her, die für einen besseren Sonnenschutz teilweise leicht grau eingefärbt wurden.

Heute steht das Dach unter Denkmalschutz und gilt als eines der Wahrzeichen der Stadt München. Schwindelfreie und abenteuerlustige Touristen können das Zeltdach auf einer geführten Tour besichtigten. Der Architekt Frei Otto wurde im Jahr 2005 mit dem Pritzker-Preis ausgezeichnet.

Fußball
Günter Wienhold

Günter Wienhold

Fußball

Günter Wienhold begann seiner Fußballerlaufbahn beim Duisburger Vorstadtverein DJK Wanheimerort, von hier wechselte er zunächst zum Meidericher SV, 1968 dann zum FC Singen 02. 1972 debütierte der Torhüter in der Amateur-Nationalmannschaft und empfahl sich in den folgenden Partien für den Einsatz bei den Olympischen Spielen. Bernd Nickel und Jürgen Kalb waren sehr beeindruckt von dem jungen Torhüter, so dass sie ihn der Eintracht ans Herz legten. Wienhold wechselte zur Saison 1972/73 an den Riederwald, blieb aber zunächst Olympia-Amateur und konnte deshalb mit den DFB-Amateuren das Olympische Fußballturnier im August und September 1972 bestreiten, in fünf Spielen hütete er das Tor der Olympiamannschaft

Bis 1977 absolvierte Wienhold im Tor insgesamt 69 Bundesligapartien, 14 Pokalspiele und sechs Europapokalspiele. Der Höhepunkt seiner Karriere bei der Eintracht war der DFB-Pokalsieg 1975. In sechs der sieben Pokalpartien der Saison stand Wienhold im Tor, auch im Finale in Hannover, das die Eintracht gegen den MSV Duisburg mit 1:0 gewann. 1978 wechselte Günter Wienhold zum SC Freiburg, wo er noch bis 1990 aktiv war.

Günter Wienhold verstarb am 21. September 2021.

Rudern
Hans-Johann Färber

Hans-Johann Färber

Rudern

Unter der Last der Favoritenrolle sind schon viele Träume von einer olympischen Goldmedaille zerplatzt. Nicht so bei Hans-Johann Färber aus Wetzlar und seinen Mitstreitern Gerhard Auer, Peter Berger, Alois Bierl sowie Steuermann Uwe Benter, die 1972 bei den Spielen in München die Goldmedaille im Rudern im Vierer mit Steuermann gewannen. Überlegen sicherten sie sich den Sieg vor der DDR und der Tschechoslowakei. Im Ziel betrug ihr Vorsprung fast eine Bootslänge.

Der sogenannte „Bullenvierer“, ein Name der auf die immense Kraft der vier Ruderer anspielte, war seinerzeit das Paradeboot des Deutschen Ruderverbandes. Der „Vierer mit“, wie die Experten sagen, war Welt- und Europameister und seit Jahren unbesiegt. Alles andere als die Goldmedaille wäre im Grunde eine Enttäuschung gewesen. Schon bei den Spielen 1968 in Mexico City hatten Färber und Berger gemeinsam im Vierer mit gesessen, damals aber den Endlauf um die Medaillen verpasst. Nach dieser Schmach wurde ein neues Boot aufgebaut, das bald von Sieg zu Sieg eilen sollte.

Färber, der in der ehemaligen Volksrepublik Jugoslawien geboren wurde und für die Wetzlarer Rudergesellschaft startete, war von Beruf Metzger, bestritt seine sportliche Karriere aber als Berufssoldat. 1967 war er im Zweier ohne Steuermann erstmals Deutscher Meister geworden und nach Mexico und München schaffte er es auch 1976 zu den Spielen nach Montreal, wo er bei seiner dritten Olympiateilnahme im Vierer mit noch einmal Bronze gewann.

Nach dem Karriereende war Färber, der heute mit seiner Familie in Bayern lebt, lange Jahre Leiter des Olympiastützpunktes in München und später Kaufmännischer Leiter im Tierpark Hellabrunn. Sein Enkel Oliver Zeidler wurde 2019 übrigens ebenfalls Weltmeister, allerdings nicht im Vierer mit, sondern im Einer.      

Kanurennsport
Hans-Jürgen Riemenschneider

Hans-Jürgen Riemenschneider

Kanurennsport

Seit 1936 zählt der Kanurennsport zu den Sportarten, in denen bei Olympischen Sommerspielen Medaillen vergeben werden und seit diesem Zeitpunkt steht auch die Entscheidung im Zweier-Kajak über die 1000 Meter-Distanz auf dem Programm. Bei den Spielen 1972 in München war das bundesdeutsche Boot mit Hans-Jürgen Riemenschneider vom Ski- und Kanu-Club Gießen und Horst Mattern aus Düsseldorf besetzt und belegte nach erfolgreich bestandenem Vorlauf und Halbfinale im Endlauf schließlich den 8. Rang.

Zufrieden war der gebürtige Bad Nauheimer Riemenschneider, der in Wetzlar lebte und für Gießen startete, mit dieser Platzierung allerdings nicht, denn er hatte sich im Finale mehr ausgerechnet, zumal der bundesdeutsche K 2 im Vor- und Zwischenlauf gegen die starke Konkurrenz aus dem Ostblock durchaus ansprechende Leistungen gezeigt hatte. Dies war umso erstaunlicher, da die Besetzung des Bootes erst gut vier Wochen vor dem Olympiastart festgestanden hatte und von einem eingespielten Duo folglich keine Rede sein konnte. Neutrale Experten werteten die Leistung des Bootes unter diesen Umständen daher auch als „beachtlich“.

Mit einer Größe vom 1,84 Meter und einem Wettkampfgewicht von über 80 Kilogramm hatte der blonde Riemenschneider, der an der Technischen Hochschule in Weilburg studierte, durchaus etwas von einem Modellathleten. Damals war er der jüngste Sportler im Aufgebot des Deutschen Kanuverbandes und seine eigentliche Stärke sah er ob seiner Sprintqualitäten im Einer, in dem er bei nationalen Meisterschaften und internationalen Regatten auch zahlreiche Spitzenplätze erreichte. Kurioserweise gewann er seinen einzigen deutschen Meistertitel aber 1974 im Vierer-Kajak des VfK Dreisbach, für den er seinerzeit an den Start ging.

Im Vorfeld der Spiele in München hatte Riemenschneider übrigens großes Glück, denn im Rahmen eines Trainingsaufenthaltes in Bayern waren er und zwei seiner Teamkameraden in einen schweren Autounfall verwickelt, bei dem er jedoch mit einer Knieverletzung davonkam, die seinen Olympiastart letztlich nicht gefährden sollte.      

Journalist
Hartmut Scherzer

Hartmut Scherzer

Journalist

Über Berlin, Sachsen und Passau verschlug es Hartmut Scherzer nach Frankfurt. Hier startete er nach dem Abitur 1958 seine journalistische Laufbahn bei der Frankfurter Rundschau. Der leidenschaftliche Boxer wurde schon im Alter von 22 Jahren Sportchef bei United Press International (UPI), berichtete von den Spielen in Tokio 1964 sowie Mexiko 1968 und organisierte für UPI ab 1969 die logistische Medienstruktur für die Olympischen Spiele 1972 in München. Vor Ort informierte er vorwiegend über seine Spezialgebiete Boxen und Radfahren. Scherzer erlebte die euphorische Stimmung, die fröhliche Atmosphäre und die herausragenden Ergebnisse wie das Gold für den Bahnvierer hautnah mit.

Als er in den frühen Morgenstunden des 5. September einen Anruf aus den Vereinigte Staaten erhielt, ändert sich alles. Er erfuhr von der terroristischen Attacke, übersetzte deutschsprachige Nachrichten für UPI ins Englische und fuhr abends mit seinem VW Käfer Richtung München Riem zum Flughafen. Die Geiseln sollten von dort nach Kairo ausgeflogen werden. Unterwegs bekam Scherzer mit, dass sich das Geschehen auf den Militärflugplatz Fürstenfeldbruck verlagert hatte. Als er dort ankam, herrschte dichtes Gedränge. So umrundete er das Gelände – und sah, wie die Hubschrauber explodierten, ein Inferno. Auf dem Nachhauseweg erfuhr er aus dem Radio, dass die Befreiungsaktion geglückt sei, er konnte es nicht glauben. Die morgendliche Pressekonferenz bestätigte seine Zweifel, alle Geiseln wurden ermordet. Schreiben konnte er darüber nicht.

Hartmut Scherzer akkreditierte sich im Laufe seines Lebens für 21 Olympische Sommer- und Winterspiele, begleitete 15 Fußball-Weltmeisterschaften und berichtete 33 Mal von der Tour de France. Er begegnete Größen wie Muhammad Ali oder Max Schmeling und war von 1973 bis zu deren Einstellung 1988 Sportchef der Frankfurter Abendpost/Nachtausgabe. Als Jürgen Grabowski 1978 die Offerte des Bundestrainers Helmut Schöns, wieder Teil der Nationalmannschaft zu werden, zurückwies, nahm ihn Scherzer kurzerhand als Kolumnist mit nach Argentinien.

Hartmut Scherzer veröffentlichte Bücher über Grabowski und Charly Körbel und publizierte zuletzt seine Autobiographie, in der er neben unzähligen Anekdoten aus der Sportwelt auch ausführlich über die Olympischen Spiele und das Attentat in München berichtet. Scherzers Erkennungszeichen ist sein lichtes Haar – was ihn jedoch schon früh unverwechselbar machte – und ihn entgegen strikter Anweisungen sogar in die Privatgemächer Alis führte.

Nationales Olympisches Komitee
Heiner Henze

Heiner Henze

Nationales Olympisches Komitee

Die Teilnahme an Olympischen Spielen markiert oft den Höhepunkt in der Karriere von Sportlerinnen und Sportlern. Rund um den Wettkampf ihres Lebens soll nichts schief gehen und die Athleten und Athletinnen sollen sich völlig auf ihren Sport konzentrieren können. Dafür sorgen Menschen wie Heiner Henze. Er war bei 13 Olympischen Spielen für das Nationale Olympische Komitee vor Ort, so auch in München 1972 als stellvertretender Mannschaftsleiter. „Die jeweilige Mannschaft muss organisiert werden, sie muss Quartier haben, sie muss akkreditiert werden, sie muss gemeldet werden, sie muss betreut werden. Das macht das NOK.“, erklärt der 1941 in Breslau geborene Henze, der schon lange in Darmstadt heimisch ist. „Meine Familie scherzt immer: ´Du treibst keinen Sport, du organisierst Sport.´ Das ist eine Art Eventmanagement für die Athletinnen und Athleten, von dem die bestenfalls nichts merken.“

Über den Allgemeinen Hochschulsportverband war der Lehrer über ein Praktikum beim NOK in der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele in Tokio 1964 zu seiner Aufgabe gekommen. So wusste er 1972 als Vertreter von Walther Tröger, der als Bürgermeister im Olympischen Dorf fungierte, was auf ihn zu kam. Zeit für Besuche im Stadion war da selten: „Die Arbeit des stellvertretenden Mannschaftsleiters ist im Büro.“ Immerhin konnte der passionierte Leichtathlet die Goldmedaille von Ulrike Meyfarth sehen. Als Übungsleiter, Trainer oder Funktionär hat er in Hessen beim FSV Frankfurt, im ASC Darmstadt und bei der SG Egelsbach gewirkt. Und der Leichtathletik ist er auch heute noch verbunden, wenn auch ohne Ehrenämter. Im Stadion ist er häufig anzutreffen: „Ich muss gestehen, dass ich auf der Tribüne auch nach hinten schaue und gucke, wen ich noch kenne. Mich interessiert aber auch die Entwicklung. Da bin ich immer noch Fan.“

Handball
Herbert Wehnert

Herbert Wehnert

Handball

Schon der Vater Wehnerts war begeisterter Handballer und übertrug seine Leidenschaft auf den jungen Herbert, der sich in seinem Heimatort der TG Schierstein anschloss und schnell auf sich aufmerksam machte. Als er 1968 in den vorläufigen Olympiakader berufen wurde, wechselte er zum Bundesligisten SG Dietzenbach, um seine Chance zu wahren. 1970 nahm er an der Weltmeisterschaft teil, unterlag knapp der DDR und feierte einen hervorragenden fünften Platz.

1972 war Hallenhandball erstmals olympische Disziplin. Wehnert war reiner Amateursportler, trainierte mit der SG Dietzenbach drei, vier Mal die Woche und erstellte sich zusätzlich neben seiner Ausbildung zum Berufsschullehrer einen individuellen Trainingsplan. Bei den Olympischen Spielen 1972 gehörte der großgewachsene rechte Rückraumspieler zum deutschen Handballteam, das als Mitfavorit galt. Doch zwei Jahre vor den Spielen wechselte Kapitän Lübking aus beruflichen Gründen in die Kreisklasse und wurde dennoch in den Olympiakader berufen, woraufhin andere sich verärgert zurück zogen.

Die Handball-Spiele fanden auch in Augsburg statt, dennoch wohnten die Handballer gemeinsam mit den Fuß- und Wasserballern im olympischen Dorf, genossen die lockere Atmosphäre und konnten sich auch anderen Disziplinen widmen, schauten sich Leichtathletik-Wettbewerbe und Fußballspiele an.

Groß das Entsetzen nach dem Attentat, Wehnert verfolgte das Geschehen aus nächster Nähe - doch die Spiele gingen weiter. Herbert Wehnert und seine Kameraden wurden gefragt, ob sie noch antreten wollten. Die Mehrzahl bejahte schweren Herzens. Doch die Mannschaft konnte die in sie gesetzten Hoffnungen auf eine Medaille nicht erfüllen, Automatismen griffen nicht mehr. Am Ende stand der sechste Platz für Deutschland, die ersten Ränge machten die Handballer aus dem Ostblock unter sich aus, die damals schon unter Profibedingungen agierten.

Nach der Rückkehr organisierte seiner Heimatstadt Wiesbaden für ihn einen großen Empfang im Kurhaus. 1973 verlegte Wehnert seinen Wohnsitz nach Dietzenbach, spielte noch bis 1975 in der Nationalmannschaft, und nahm an der WM 1974 teil. Berufliche Gründe gaben den Ausschlag für seinen Rücktritt, doch bei der SG Dietzenbach blieb er noch bis 1981 aktiv. Da er auf Alkohol verzichtete, fing er sich den Spitznamen „Säftchen“ und trainierte neben seiner Lehrertätigkeit noch weit bis ins nächste Jahrtausend Handball-Mannschaften im Umkreis Frankfurts.

Basketball
Holger Geschwindner

Holger Geschwindner

Basketball

Vielen Sportinteressierten dürfte Holger Geschwinder heute vor allem als Entdecker, Förderer und Mentor von Dirk Nowitzki bekannt sein, dem einzigen deutscher Basketballer, der bisher die Meisterschaft in den nordamerikanischen Profiliga NBA gewinnen konnte. Dabei gerät jedoch leicht in Vergessenheit, welch hervorragender Basketballer der gebürtige Bad Nauheimer selbst gewesen ist. Über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahrzehnten spielte er ab 1964 in der höchsten deutschen Spielklasse, gewann gleich mehrfach nationale Titel und war zudem ein erfolgreicher Nationalspieler.

Der wurf- und spielstrake Allrounder, der den Basketball an einem Internat in Laubach kennengelernt hatte, wechselte als 18-Jähriger zum MTV 1846 Gießen und reifte dort schnell zum Spitzenspieler. Sechs Mal in Folge stand er mit den Gießenern ab 1965 im Endspiel um die Deutsche Meisterschaft und gewann drei Titel sowie einmal den Pokal. Früh sammelte der 1,92 Meter große Student der Mathematik und Physik auch Erfahrungen im Europapokal, so dass sein Debüt in der Nationalmannschaft 1967 nur folgerichtig war.

1970 wechselte Geschwindner zum USC München, so dass er das Olympische Basketballturnier, an dem eine deutsche Mannschaft erstmals seit 1936 wieder teilnahm, nun quasi vor seiner Haustür erlebte. Geschwindner kam dort in allen neun Spielen zum Einsatz, zählte zu den  Leistungsträgern und avancierte hinter dem Leverkusener Thimm auch zum zweitbesten Korbschützen im bundesdeutschen Team, dass unter 16 teilnehmenden Nationen nach zwei unglücklichen Niederlagen in den Platzierungsspielen gegen Australien und Spanien am Ende den 12.  Platz belegte.

Der langjährige Kapitän der Nationalmannschaft absolvierte bis 1975 insgesamt 170 Länderspiele. In der Bundesliga schlossen sich noch die Stationen Bamberg, Göttingen (wo er 1980 eine weitere Meisterschaft feiern konnte) und Köln an. Erst im Alter von 47 Jahren beendete Geschwindner als Spielertrainer einer Regionalligamannschaft schließlich seine aktive Laufbahn.

Gehen
Horst-Rüdiger Magnor

Horst-Rüdiger Magnor

Gehen

Horst-Rüdiger Magnor begann seine Karriere als Geher bei Göttingen 05. 1966 wechselte er zur Frankfurter Eintracht, die ein starke Geher-Truppe hatte, die von Hans Stahl trainiert wurde. Förderer der Truppe war übrigens Wolfgang Mischnik, von 1968 bis 1991 Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion – und Zeit seines Lebens engagierter Fan der Eintracht.

Horst-Rüdiger Magnor belegte bei den Deutschen Meisterschaften 1967 im 20-km-Gehen den dritten Platz, 1970 wurde er Zweiter. Von 1966 bis 1968 siegte er mit seinen Vereinskameraden Bernhard Nermerich und Julius Müller in der Mannschaftswertung, 1970 und 1971 mit Bernhard Nermerich und Wilfried Wesch (20 Kilometer).

Zwischen 1966 und 1972 absolvierte Magnor 16 Einsätze im deutschen Nationaltrikot. Bei den Olympischen Spielen 1968 belegte er im 50-km-Gehen als bester bundesdeutscher Geher den 11. Rang. Auch in München war Magnor am Start. Allerdings erreichte er 1972 hinter Olympiasieger Bernd Kanneberg und dem Sechstplatzierten Gerhard Weidner als drittbester bundesdeutscher Geher nur Platz 16. Horst-Rüdiger Magnor war noch bis 1977 als Geher bei Deutschen Meisterschaften dabei. Nach seiner aktiven Zeit als Geher studierte Magnor Medizin und arbeitete als niedergelassener Arzt in Gedern. Er verstarb 2008.

Hockey
Horst Dröse

Horst Dröse

Hockey

Schon die Eltern von Dröse waren begeisterte Hockeyspieler und vererben ihre Leidenschaft an den jungen Horst, der im Alter von sechs Jahren dem Sportclub Sachsenhausen Forsthausstraße, kurz SaFo, beitrat und – und in die Fußstapfen seines Onkels Karl trat, der 1936 bei den Spielen in Berlin im Tor der Hockeymannschaft die Silbermedaille gewann.

Horst Dröse wohnte in der Nähe des Hessischen Rundfunks, begeisterte sich neben Hockey auch für Fußball und bolzte nach der Schule auf der Betramswiese. Doch schnell zeigte sich, dass er im Hockey zu Höherem berufen ist. Er avancierte zum Nationalspieler, 1969 erfolgte die Berufung in den Olympiakader. Da SaFo auf Grund der Umstrukturierung der Liga zu Beginn der 1970er Jahre nur noch zweitklassig spielte, entschied er sich für einen Wechsel zum großen Konkurrenten SC 1880 Frankfurt, um seine Chance zur Olympia-Teilnahme nicht zu gefährden. Mit dem SC 1880 wurde er fünfmal in Folge Europapokalsieger.

Bei den Olympischen Spielen in München waren die Teams aus Indien und Pakistan hoch favorisiert, doch die deutschen Mannschaft spielte sich ungeschlagen ins Halbfinale und bezwang in den Gruppenspielen sogar Pakistan mit 2:1. Dann erschütterte das Attentat die Welt. Dröse und seine Mannschaftskameraden sahen beim Blick aus dem Fenster, wie die israelischen Sportler von den Terroristen aus ihren Bungalows geholt wurden. Am Tag der Trauerfeier war das deutsche Hockeyteam vollständig im Stadion – und entschied sich, weiterzumachen.

Nach dem 3:0 im Halbfinale gegen die Niederlande stand Deutschland im Finale – und traf erneut auf Pakistan. Dröses Aufgabe bestand darin, den pakistanischen Spielmacher aus dem Spiel zu nehmen, es gelang hervorragend. Ein Tor von Michael Krause zehn Minuten vor Ende der regulären Spielzeit sicherte Deutschland den Sieg und damit sensationell die Goldmedaille, die Pakistan und Indien seit 1928 unter sich ausgemacht hatten. Bei der Siegerehrung kam es zum Eklat, die enttäuschten Pakistanis erschienen in Badelatschen und wandten sich demonstrativ von der deutschen Mannschaft ab. Diese gewann 1972 noch vor den Fußball-Europameistern die Wahl zur Mannschaft des Jahres

Horst Dröse spielte noch bis 1977 in der Nationalmannschaft und widmete sich nach seiner Karriere Familie und Beruf. Er lebte lange in der Schweiz und kehrte 2009 endgültig nach Frankfurt zurück. Seine Goldmedaille aber liegt noch heute in einem Regal im Wohnzimmer.

Organisation
Horst R. Schmidt

Horst R. Schmidt

Organisation

Horst R. Schmidt spielte als Jugendlicher begeistert Handball - bis ihn ein Kniescheibenbruch zwang, dem aktiven Sport Adieu zu sagen. Er startete eine Beamtenlaufbahn, wurde Verwaltungslehrer – und ließ sich beurlauben, als sich ihm die Möglichkeit eröffnete, im Vorfeld der Olympischen Spiele als Referent für Eintrittskarten im Organisationskomitee mitzuwirken. Seine Arbeit begann 1969, drei Jahre bevor das olympische Feuer in München entzündet wurde.

Ihm oblag das Handling von fünf Millionen Eintrittskarten – ohne moderne Technik und der innewohnenden Problematik, auch den Ostblock hinter dem Eisernen Vorhang adäquat mit Tickets zu versorgen. Etliche Sportstätten befanden sich zu Beginn der Planungen noch im Bau. Druckpläne wurden erstellt und wieder verworfen. Schmidt konnte zwar auf die Erfahrung der Organisatoren der Spiele 1968 in Mexiko zurück greifen, dennoch gestaltete sich die Produktion und Distribution der Tickets, die an das ikonische Corporate Design von Otl Aicher angepasst waren, für ihn und sein kleines Team als große Herausforderung. Die Olympischen Spiele in München waren das erste Großereignis Deutschlands der Nachkriegszeit und sollten die Antithese zu Olympia 1936 bilden. 380 Veranstaltungen wurden geplant, die meisten davon in München, aber auch der Kanuslalom in Augsburg und die Segelwettbewerbe in Kiel mussten mitgedacht werden, ebenso die Auslastung der Stadien und Hallen im Umland, Austragungsorte etlicher Fußball- und Handballspiele.

Als die Athleten am 26. August farbenfroh in das ausverkaufte Olympiastadion einmarschierten und 5000 weiße Tauben in den Himmel stiegen, saß Schmidt zufrieden auf seinem Platz. Seine Arbeit war weitgehend erledigt, die Tickets gedruckt und verteilt. Er schaute sich die Wettbewerbe an, verfolgte seine Handballer und war hautnah dabei, als sich Ulrike Meyfarth völlig überraschend die Goldmedaille im Hochsprung sicherte. Dann der 5. September. Das Attentat. Ein Schock. Und aus organisatorischer Sicht die Erleichterung, als die Spiele fortgesetzt wurden.

Horst R. Schmidt blieb der Organisation von sportlichen Großereignissen treu, ließ als Mitglied des Organisationskomitees der WM 1974 seine Beamtenstelle erneut ruhen und kündigte anschließend ganz. Er wurde 1992 in Frankfurt Generalsekretär des DFB, organisierte als Höhepunkt die Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland und war bis 2018 Berater der FIFA bei Großveranstaltungen. Seine Heimat fand Schmidt in Aschaffenburg. Von dort war er schnell an seinem Arbeitsplatz beim DFB in der Otto-Fleck-Schneise.

Funktionärin
Ilse Bechthold

Ilse Bechthold

Funktionärin

Von 1948 bis 1973 errang Ilse Bechthold 26 Hessische Meisterschaften im Kugelstoßen und Diskuswerfen, fünfmal wurde sie Süddeutsche Meisterin. Mehrfach war sie Endkampfteilnehmerin bei der Deutschen Meisterschaft. Außerdem war sie Diskuswerferin in der Nationalmannschaft und nahm an Länderkämpfen teil. Bei der Frankfurter Eintracht spielte sie Feldhandball und als eine Volleyballabteilung gegründet wurde, war Ilse dabei. Auch bei den neu gegründeten Basketballerinnen machte sie mit. „Ich habe mich nie auf eine Sportart voll spezialisiert, es hat mir alles so viel Spaß gemacht. Und vor allem die Gemeinschaft habe ich immer genossen, deswegen habe ich mich auch im Mannschaftssport so wohl gefühlt“, erinnerte sich Ilse 2020 in einem Interview an ihre aktive Karriere.

Nach Studium und Referendariat nahm Ilse eine Stelle an der Universität Gießen an, später wurde sie Sportdozentin am Institut für Sportwissenschaft der Universität Frankfurt. Hier unterrichtete sie Sportspiele und Leichtathletik. Gleichzeitig begann sie, sich als Funktionärin zu engagieren. Seit 1968 war sie Frauenwartin und Präsidiumsmitglied im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV), seit 1971 auch im Vorstand der Leichtathletikabteilung der Eintracht. Es folgten weitere Ämter: Vizepräsidentin im DLV, NOK-Mitglied (Nationales Olympisches Komitee, seit 2006 DOSB), Verwaltungsratsmitglied bei der Eintracht, Gutachterin der Sporthilfe, Mitglied und später Vorsitzende der IAAF-Frauenkommission (heute World Athletics, Leichtathletik-Weltverband). Mit einer bewundernswerten Energie setzte sie sich für die Belange der Frauen ein und erkämpfte Schritt für Schritt mehr Gleichberechtigung im Sport. Auch bei den Olympischen Spielen 1972 war Ilse aktiv: „In München habe ich die Athletinnen betreut und wohnte mit ihnen im Olympischen Dorf. Da habe ich auch das Attentat miterlebt, das war eine ganz schwere Zeit. In München hat mir August Kirch, der Präsident des DLV, gesagt, dass ich auf die Wahlliste des Frauenkomitees der IAAF gesetzt werde. Da wurde ich dann reingewählt. Und ich hatte schon meine Vorstellungen. Die Frauen durften damals in der Leichtathletik nicht das volle Programm absolvieren. Das haben meine Kolleginnen und ich im Komitee nach und nach geändert. 1981 wurde ich Vorsitzende des Frauenkomitees der IAAF. Bis 2007 haben wir die gleichen Disziplinen für die Frauen durchgesetzt wie für die Männer. Lediglich den Zehnkampf hatten wir im Meisterschaftsprogramm noch nicht durchgesetzt“, erinnerte sich Ilse 2020.

Für ihre Leistungen wurde Ilse Bechthold mit zahlreichen Auszeichnungen versehen. Bei der Eintracht war sie längst mit der goldenen Verdienstnadel, der Ehrenurkunde und der Ehrenmitgliedschaft ausgezeichnet, von der Stadt Frankfurt wurde sie mit der großen Verdienstplakette geehrt. 1988 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz, seit 1993 war sie DLV-Ehrengoldträgerin, 2007 erhielt sie den „Women and Sport Trophy“ des IOC für Europa.  Ebenfalls vom IOC wurde sie 2016 mit dem höchsten Orden des Internationalen Olympischen Komitees, dem „Olympic Order“ geehrt.

Ilse Bechthold verstarb am 17. Mai 2021 im Alter von 93 Jahren.

Basketball
Joachim Linnemann

Joachim Linnemann

Basketball

Der gebürtige Frankfurter, der den Spitznamen „Joe“ trug, stellt in Bezug auf die Basketball-Nationalmannschaft und ihr Auftritte bei den Olympischen Spielen in München in gewisser Weise ein Phänomen dar, denn währen weite Teile der Mannschaft über Jahre auf dieses Ereignis vorbereitet wurden, sprang er erst ganz spät auf den Olympia-Zug auf und trat anschließend nie wieder in der bundesdeutschen Auswahl in Erscheinung. In der Popmusik würde man wohl von einem „One-Hit-Wonder“ sprechen.

Linnemann war sogenannter „Deutsch-Amerikaner“, was seinerzeit im bundesdeutschen Basketball den großen Vorteil bot, dass ein solcher Spieler in aller Regel in den USA an einer High School oder  einem College eine profunde Basketball-Ausbildung genossen hatte, in der Bundesliga aber keinen der kostbaren Ausländer-Plätze blockierte, da er eben auch die deutsche Staatsbürgerschaft besaß.    

Vor diesem Hintergrund wechselte der 2,01 Meter große und fast 100 kg schwere Linnemann im Sommer 1971 aus den USA in die Bundesliga zum USC Heidelberg und etablierte sich dort schnell als einer der Leistungsträger. Zwangsläufig rückte er damit auch ins Blickfeld von Bundestrainer Schober, der ihn schließlich noch in sein 12-köpfiges Olympiateam berief.

Beim Turnier in München wurde Linnemann, der mit 21 Jahren damals der jüngste deutsche Spieler war, in fünf der neun Spiele eingesetzt und erzielte im Durchschnitt 4 Punkte pro Partie. Den USC Heidelberg verließ er anschließend wieder und nur noch einmal, Mitte der 1970er Jahre in der 2. Bundesliga in Quakenbrück, tauchte sein Name noch einmal im bundesdeutschen Basketball auf.

Dressurreiten
Josef Neckermann

Josef Neckermann

Dressurreiten

Schon als Kind begeisterte sich Josef Neckermann für Pferde, bereits im Alter von 14 Jahren siegte er bei einem Paarspringen in Stuttgart. Als Dressurreiter gewann er zwischen 1956 und 1981 insgesamt 333 Wettbewerbe und sechs olympische Medaillen. Auch bei den Olympischen Spielen 1972 war er erfolgreich, er gewann die Silber-Medaille in der Mannschaftswertung und die Bronze-Medaille in der Einzelwertung.

Neckermann, der 1948 in der Mainzer Landstraße in Frankfurt die Textilgesellschaft Neckermann gegründet hatte, wurde in den 1950er Jahren zu einem Vorzeigeunternehmer des Wirtschaftswunders, der Slogan seines Versandunternehmens lautete „Neckermann macht´s möglich“. Während Neckermann eines der Gesichter des Wirtschaftswunders war, engagierte er sich als Dressurreiter. Mitte der 1960er Jahre gehörte er zu den Gründervätern der Stiftung Deutsche Sporthilfe: „Als aktiver Sportler hatte Neckermann erkannt, dass sportliche Spitzenleistungen in der Regel nur bei materieller Absicherung der Sportler möglich sind. So rief er 1967 die Stiftung Deutsche Sporthilfe ins Leben, deren Vorsitzender er bis 1988 war. Seine Unternehmerbeziehungen zu Vertretern aus Politik und Wirtschaft nutzend, erschloss er der Sporthilfe als ´Bettler der Nation´ mit großen Spendenaktionen wichtige Geldquellen.“

Seine Profite aus mehreren „Arisierungen“, die er in den 1930er Jahren zu seinen Gunsten vorangetrieben hatte und auch die Beschäftigung von Zwangsarbeitern wurden Josef Neckermann nicht zum Verhängnis. Zwar war er 1945 wegen Verletzung des Kontrollratsgesetzes verhaftet und zu einem Jahr Arbeitslager verurteilt worden, doch in der Haft erkrankte er an Tuberkulose. Die Genesungszeit wurde auf seine Haftstrafe angerechnet. Im anschließenden Entnazifizierungsprozess wurde er 1948 als „Mitläufer“ eingestuft, er musste ein Bußgeld in Höhe von 2.000 RM zahlen.

Bis heute wird Josef Neckermann, der bis zu seinem Tod 1992 in Dreieich lebte, in der „Hall of fame des deutschen Sports“ geführt. Hier werden seine sportlichen Erfolge ebenso gewürdigt wie seine Verdienste um die Deutsche Sporthilfe. In der Laudatio wird wohl auch vermerkt: „Um geschäftlich vorwärts zu kommen, machte er in der NS-Zeit allerdings Zugeständnisse an die Machthaber“. Eine intensive Aufarbeitung seiner Verstrickungen in das Unrechtsregime des NS steht noch aus.

Fußball
Jürgen Kalb

Jürgen Kalb

Fußball

Jürgen Kalb wechselte 1968 vom VfL Unterliederbach zur Eintracht. Als Olympia-Amateur wurde er in den Lizenzspielerkader aufgenommen. Gleich in seiner ersten Saison absolvierte Kalb unter Trainer Erich Ribbeck 28 Spiele und erzielte ein Tor.

Jürgen Kalb gehörte zur Amateurnationalmannschaft, die bei den Olympischen Spielen 1972 antrat. Er stand bei allen sechs deutschen Spielen auf dem Platz und erzielte ein Tor. Auch nach den Olympischen Spielen blieb er der Amateurnationalmannschaft treu, bis 1975 absolvierte er insgesamt 48 Einsätze für das Team – damit steht Jürgen Kalb an zweiter Position hinter Rekordnationalspieler Egon Schmitt.

Mit der Eintracht gewann Jürgen Kalb 1974 und 1975 den DFB-Pokal. Von 1975 bis 1978 spielte er für den Karlsruher SC, von 1978 bis 1980 beim SV Darmstadt 98.

Jürgen Kalb ist der Region treu geblieben, er lebt in Hofheim und ist noch heute als Tennisspieler aktiv. In einem Interview hat er vor einigen Jahren das Olympia-Attentat von 1972 als den schlimmsten Moment seiner Sportlerkarriere bezeichnet: „Die schlimmste Erinnerung ist die an das Attentat bei den Spielen in München. Wir waren mittendrin. Und dann war plötzlich alles voll mit Soldaten, Polizei und Trauer.“

5000-Meter-Lauf
Jürgen May

Jürgen May

5000-Meter-Lauf

Jürgen May wurde 1942 in Nordhausen geboren, wo er seine Sportlerkarriere auch bei der BSG Aktivist Nordhausen startete. Später trainiere er in Erfurt, er wurde drei Mal DDR-Meister über 1500 Meter und im Crosslauf, 1965 lief er in Erfurt Weltrekord über die 1000 Meter. Erstmals bei Olympischen Spielen startete May 1964 in Tokio, hier war im Halbfinale Schluss.

Bei den Europameisterschaften 1966 in Budapest überredete May seinen Mannschaftskameraden Haase, für 500 Dollar Handgeld im 10.000-Meter Finale anstelle in Adidas-Schuhen in Puma-Schuhen zu starten.  Die Sportführung der DDR tobte, May, der von einem Puma-Vertreter für die Vermittlung einen kleineren Geldbetrag erhalten hatte, wurde lebenslang gesperrt. Außerdem verlor er seine Stelle als Redaktionsassistent bei einer Tageszeitung.

1967 floh Jürgen May gemeinsam mit seiner Freundin über Budapest und Berlin in die Bundesrepublik Deutschland. Seine Rekorde wurden vom DDR-Verband nachträglich annuliert, in den Statistiken wurde nach der Flucht der zweitplatzierte Fußballer Peter Ducke als DDR-Sportler des Jahres 1965 geführt.

May galt in der BRD noch nicht als startberechtigt, daher lief er zunächst für die Universität Mainz und den Allgemeinen Deutschen Hochschulsportverband. 1969 wurde er Meister im Crosslauf, 1970 über die 1500 Meter und 1971 über die 3000 Meter Hindernis. 1972 gewann er bei den Leichtathletikeuropameisterschaften in Grenoble über 1500 Meter Bronze. Auch bei den Olympischen Spielen in München startete er, diesmal für das bundesdeutsche Team. Beim Lauf über 5000 Meter schied er in der Vorrunde aus. Nach den Olympischen Spielen beendete May seine Karriere.

Beruflich war Jürgen May Amtsleiter für Bildung, Kultur und Sport im Main-Kinzig-Kreis.

Dressurreiten
Lieselott Linsenhoff

Lieselott Linsenhoff

Dressurreiten

Als die Frankfurterin Liselott Linsenhoff am 9. September 1972 Gold im Dressurreiten gewann, war das eine Premiere: nie zuvor gewann bis dato eine Frau eine Einzel-Goldmedaille im Reiten. Erst seit 1952 waren Frauen überhaupt zugelassen.

Die Liste der Erfolge von Lieselott Linsenhoff, geboren am 27. August 1927 in Frankfurt als Lieselott Schindling ist lang: Im Einzel wurde sie Deutsche Meisterin 1971, Europameisterin 1969 und 1971, Vize-Weltmeisterin 1970 und 1974 und Bronzemedaillen-Gewinnerin bei den Olympischen Spiele 1956. Mit der Mannschaft hatte Linsenhoff bereits 1968 ganz oben auf dem Treppchen der Olympischen Spiele gestanden, 1972 reichte es wie bereits 156 zu Silber. Dazu kommen die Titel als Europameister 1969, 1971 und 1973 sowie als Weltmeister 1974 – eine Liste, die auch ein halbes Jahrhundert später noch beeindruckt.

Nach ihrem Tod 1999 erinnert die Liselott-Schindling-Stiftung zur Förderung des deutschen Dressurreitsports an die „Grand Dame“ des deutschen Reitsports. So wird u. a. das Nachwuchschampionat der Pony-Dressurreiter ausgetragen und der nach ihrem schwedischen Warmblüter benannte Piaff-Förderpreis ausgeritten.

Tochter Ann Kathrin trat in die sportlichen Fußstapfen ihrer Mutter: bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul gewann sie zusammen mit Monica Theodorescu, Nicole Uphoff und Reiner Klimke die Goldmedaille im Dressur-Mannschaftswettbewerb.

Rudern
Lutz Ulbricht

Lutz Ulbricht

Rudern

Der in Berlin geborene Lutz Ulbricht erlernte in Frankfurt bei der „Jung-Germania“ der Frankfurter Rudergemeinschaft Germania das Rudern. 1963 wurde er im Zweier ohne Steuermann gemeinsam mit Detlef Damboldt Dritter der Deutschen Meisterschaft, ein Jahr später Vizemeister. 1965 gewann er mit Detlef Damboldt, Michael Schwan und Wolfgang Hottenrott die Deutsche Meisterschaft im Vierer ohne Steuermann. Außerdem wurde Lutz Ulbricht Vizeeuropameister.

Gemeinsam mit Michael Schwan wechselte Ulbricht 1966 in den Deutschland-Achter unter dem legendären Trainer und „Ruderprofessor“ Karl Adam. Das Boot gewann 1966 die Deutsche Meisterschaft und die Weltmeisterschaft in Bled. 1968 feierte Ulbricht mit dem Deutschland-Achter die Deutsche Meisterschaft – und gewann in Mexiko die Olympischen Spiele vor den Australiern. Der Deutschland-Achter wurde in diesem Jahr zur „Mannschaft des Jahres“ gewählt.

Auch 1970 wurde Ulbricht Deutscher Meister, diesmal im Zweier ohne Steuermann. Bei der Weltmeisterschaft in St. Catharines gewann er Bronze. 1972 startete er gemeinsam mit Erwin Haas im Zweier ohne Steuermann bei den Olympischen Spielen von München. Die beiden verpassten das Finale, gewannen aber das B-Finale und beendeten den Wettkampf auf Platz 7.

Bis heute ist Lutz Ulbricht, der sich bei der Germania weiterhin im Ältestenrat engagiert, das einzige Vereinsmitglied, das eine olympische Goldmedaille gewonnen hat.

Rudern
Norbert Kindlmann

Norbert Kindlmann

Rudern

Der 1944 in Wiesbaden-Biebrich geborene Norbert Kindlmann begann seine Sportlerkarriere im Fußball und Handball. Dass er 1960 bei der RG Wiesbaden-Biebrich mit dem Rudersport begann, hatte er seinem Zahnarzt zu verdanken: „Mein damaliger Zahnarzt, der zu dieser Zeit Vorsitzender der Rudergesellschaft Wiesbaden-Biebrich war, hat mich überredet. Ich weiß nicht, ob ich ohne sein ständiges Drängen und Nachhaken zum Rudern gekommen wäre“, erinnerte sich Kindlmann 1985 in einem Interview.

Kindlmann war talentiert, 1967 gewann er im Achter bei den Deutschen Meisterschaften die Bronzemedaille, es folgten weitere Bronze- und Silbermedaillen. 1974 und 1975 feierte er mit dem Achter die Deutsche Meisterschaft (für Hansa Dortmund), neunmal wurde er Vizemeister in allen Riemenbootklassen.

Bei den Olympischen Spielen 1972 gehörte Kindlmann dem Deutschland-Achter an. Der fünfte Platz bei den Spielen war eine Enttäuschung, erstmals seit 1960 gab es für den Achter keine Medaille. „Das Durcheinander um das "Wunderboot" hat gewiss nicht dazu beigetragen, die Chancen des bundesdeutschen Achters zu verbessern“, kritisierte die Presse die im Vorfeld der Spiele herrschende Unsicherheit über die Besetzung des Boots.

Norbert Kindlmann wurde mit dem Deutschland-Achter bei den Weltmeisterschaften 1974 in Luzern Sechster. Zu den Olympischen Spielen 1976 in Montreal reiste er nicht mehr: „Eigentlich wollte ich noch an der Olympiade 1976 teilnehmen. Jedoch setzte dann der DRV meinen Partner vom Zweier ohne in den Vierer mit Steuermann und so saß ich plötzlich alleine da. Ich habe es dann noch mit anderen Ruderern versucht, was jedoch scheiterte. Noch in der gleichen Saison habe ich bei RG Frankfurt als Trainer angefangen. Von 1977 bis 1985 war ich dann Trainer bei der Rudergesellschaft Wiesbaden-Biebrich.“ 1985 wechselte Kindlmann, der bei der Stadt Wiesbaden als Diplom-Ingenieur für die Straßenerhaltung zuständig war, zum Rüsselsheimer Ruder-Klub 08, wo er als Jugendtrainer arbeitete.

2018 wurde Kindlmann, der als Diplom-Ingenieur viele Jahre beim Tiefbauamt der Stadt Wiesbaden tätig war, von seinem Heimatverein RG Wiesbaden-Biebrich zum Ehrenmitglied ernannt. „Der Biebricher Bub ist zugleich eine Biebricher Legende. Er ist neben Jürgen Grabowski der bekannteste Sportler des größten Wiesbadener Stadtteils“ begründete der Verein die Entscheidung.

Hochsprung
Renate Gärtner

Renate Gärtner

Hochsprung

Aufgewachsen auf einem Hof in der 60-Seelen-Gemeinde Leimenhof zwischen Schlüchtern und Flieden interessierte sich Renate Gärtner schon früh für die verschiedensten Disziplinen der Leichtathletik. Sie trainierte Diskus, Kugelstoßen, Hoch- und Weitsprung. Doch am talentiertesten erwies sich die 1,78 große Sportlerin im Hochsprung. Gefördert von ihrem Cousin Alfred Wess, entwickelte sie sich zur Spitzenathletin. 1968 wechselte sie von Flieden nach Schlüchtern. Renate verbesserte den deutschen Rekord, wurde 1969 sowie 1971 Deutsche Meisterin und freute sich bei den Europa-Meisterschaften 1971 in Helsinki über Rang sechs. 1972 wurde sie Zweite bei den Deutschen Meisterschaften – noch vor der 16-jähigen Ulrike Meyfarth. Doch die Teilnahme an den Olympischen Spielen hing am seiden Faden. Im Mai erlitt sie einen Trainingsunfall, Renate rutschte mit Gewichten auf den Schultern aus und knallte mit den Zähnen auf einen Kasten. Doch rechtzeitig zu Olympia war sie wieder fit.

Vor den Spielen fuhr sie nach Schongau und bereitete sich in aller Ruhe auf den Wettbewerb vor. Der Einmarsch der Sportler am Eröffnungstag beeindruckte sie gewaltig, die Begegnungen mit den unterschiedlichen Kulturen und die Gemeinschaft prägten sie für ihr ganzes Leben. Renate Gärtner schaffte am 3. September im Straddle-Stil die geforderte Qualifikationshöhe von 1,76 m locker. Doch am Wettkampftag fühlte sie sich nicht fit. Sie übersprang im zweiten Versuch 1,82 m – das reichte für den 14. Platz. Ihre Teamkollegin Ellen Mundinger wurde mit der gleichen Höhe 10. Gemeinsam erlebten sie anschließend die sensationelle Goldmedaille von Ulrike. Als ein Freund Gärtners in London mitbekam, dass eine deutsche Hochspringerin Gold gewonnen hat, schmiss er im Pub eine Lokalrunde. Er dachte, Renate sei es gelungen. Einen Tag später trug die Welt Trauer, das Attentat auf die israelischen Sportler beendete die Leichtigkeit der Spiele. Noch am Abend reiste Renate ab.

1973 holte sie Ilse Bechthold zur Eintracht, für die Renate fortan startet. Nach der aktiven Karriere beendete sie ihr Studium in Fulda, unterrichtete Sport und Geographie aber auch Mathe und Englisch und vermittelte ihren Schülern neben den Lehrinhalten auch jene Toleranz und Weltoffenheit, die sie selbst in München 1972 erlebte. 2001 nahm sie an den Weltmeisterschaften der Senioren in Australien teil – und wurde Vierte im Hochsprung. Im Kugelstoßen erreichte sie den zehnten Platz. Mit ihren Teamkolleginnen Mundinger und Meyfarth ist sie bis heute gut befreundet.

Zuschauerin
Renate Spanknebel

Renate Spanknebel

Zuschauerin

Renate Spanknebel nahm als Zuschauerin an den Olympischen Spielen 1972 teil. Nach dem Abitur 1968 studierte sie an der Sporthochschule in Köln. Klar, dass auch die sportbegeisterte Renate, die als aktive Leichtathletin bei Salamander Kornwestheim Jahrgangsbeste in der B-Jugend über 80-Meter Hürden wurde, in München dabei sein musste. Das Interesse an Eintrittskarten war riesig. Doch sie hatte Glück bei der Verlosung und bekam die gewünschten Karten zugeteilt.

In München angekommen, marschierte sie schnurstracks zur Touristen-Information und organisierte sich mit Freunden vor Ort eine Unterkunft in Haar, eine kleine Gemeinde am Ortsrand von München. Von dort brachte sie die moderne S-Bahn zu den Wettkampfstätten.

Leichtathletik, Basketball, Fußball und Volleyball standen für die Kölner Studentin auf dem Programm, voller Erwartung purzelten die Zuschauer morgens aus der Bahn und strömten bei strahlend blauem Himmel auf das Olympiagelände, neuartige Piktogramme und freundliche Farben wiesen den Weg. Renate saß auf der Haupttribüne des ausverkauften Olympiastadions und liess sich von der großartige Stimmung mitreißen. Vor ihren Augen sprang die erst 16-jährige Ulrike Meyfarth zu Gold, die heiteren Spiele waren am 4. September auf dem Gipfel der Glückseligkeit.

Renate fuhr wie jeden Morgen auch tags drauf ans Olympiagelände, dort aber war alles anders. Scharfschützen waren auf den Dächern verteilt, vage Informationen über eine Geiselnahme machten die Runde. Später erfuhr Renate, dass israelische Sportler in der Gewalt von Terroristen waren. Sie fuhr zurück in die Unterkunft. Abends meldeten die Nachrichten das glückliches Ende der Geiselnahme. Erst am folgenden Morgen erfuhr sie die schreckliche Wahrheit: Alle Geiseln waren tot.

Avery Brundage verkündete bei der Trauerfeier: The games must go on, Renate zeigte sich entsetzt. Heute, 50 Jahre danach sieht sie das anders: „Man kann sich von Terroristen nicht erpressen lassen.“ Todtraurig schaute sie sich noch das Basketballfinale an und fuhr mitten in der Nacht wieder nach Hause. Es regnete.

Beeindruckt vom Volleyball, eine Disziplin, die 1972 erstmals olympisch ist, gründete sie mit anderen bei ihrem Heimatverein ESV Jahn Treysa eine Volleyball-Abteilung, die 2022 ihren 50. Geburtstag feiert.

800-Meter-Lauf
Sylvia Schenk

Sylvia Schenk

800-Meter-Lauf

Sylvia Schenk ließ sich während einer Klassenfahrt nach München 1968 von der allmählich um sich greifenden Olympia-Begeisterung anstecken. Erst spät erkannte die aktive Tennisspielerin ihr Talent für die längere Laufstrecke, eine Disziplin, die damals vorwiegend Männer vorbehalten war. Trotzig hängte sich Sylvia ein Plakat in ihr Zimmer: „Sport ist nicht nur Männersache“. Schenk trainierte fleißig bei ihrem Verein ESV Jahn Treysa, brach den Jugendrekord über 800 Meter und wurde 1971 Dritte bei den Deutschen Meisterschaften. Ende des Jahres schloss sie sich der Leichtathletik-Abteilung der Frankfurter Eintracht an. Doch die Olympiateilnahme geriet in ernste Gefahr. Im Februar 1972 verletzte sie sich an der Achillesferse und konnte sechs Wochen lang kaum trainieren. Erst auf den letzten Drücker qualifizierte sich Schenk bei den Deutschen Meisterschaften für Olympia 1972.

Dort erreichte sie im Vorlauf über 800 Meter ihre persönliche Bestzeit und konnte diese im Zwischenlauf noch einmal steigern. Eine lumpige Hundertstelsekunde fehlte fürs Finale. Sylvia Schenk war dennoch zufrieden, schneller war sie niemals zuvor gelaufen. Anschließend genoss sie die farbenfrohe Olympischen Spiele und schwebte auf heiteren Wolken durch die sonnigen Tage, das Instrumentalstück Popcorn lief aus allen Lautsprechern und platziert sich in den Charts.

Am 5. September saß Sylvia Schenk im Aufenthaltsraum des Olympischen Dorfes, damals noch nach Frauen und Männer getrennt, Hubschrauber kreisten über der Stadt. Vom Fenster aus konnte sie eine gespenstische Szenerie beobachten, sie erfuhr von der Geiselnahme der israelischen Athleten und war doch machtlos. Wie für so viele eröffnete sich auch für sie erst am Folgetag, dass alle Geiseln ermordet wurden. Elf Tage nach der fröhlichen Eröffnungsfeier im Olympiastadion lief sie den gleichen Weg erneut, diesmal zur Trauerfeier für die getöteten Athleten, der emotionale Kontrast konnte nicht größer sein. Eine psychologische Betreuung war für die traumatisierten Sportler nicht vorgesehen.

Die Olympischen Spiele wird Sylvia Schenk niemals vergessen. Sie studierte Jura, bestand ihr erstes Staatsexamen 1975, das zweite 1978, wurde Stadträtin und Sportdezernentin in Frankfurt und engagiert sich für Menschenrechte – auch im Beirat für Menschenrecht der FIFA. Sie bleibt stets ein wachsamer Geist und ihrer Wahlheimat am Main verbunden.

Ihre Bestzeit aber würde noch heute für einen dritten Platz bei den deutschen Meisterschaften in ihrer Paradedisziplin über 800 Meter reichen.

Hochsprung
Ulrike Meyfarth

Ulrike Meyfarth

Hochsprung

Ulrike Meyfarth erblickte in Frankfurt das Licht der Welt, doch nach nicht einmal einem Jahr verließ sie mit ihren Eltern ihre Heimatstadt und wuchs in Wesseling bei Köln auf. Immer wieder kehrte sie zum Besuch ihrer Großmutter nach Frankfurt zurück. In Köln besuchte sie das Gymnasium und entwickelte sich zu einer der besten Hochspringerin des Landes. Bei den Deutschen Meisterschaften 1971 wurde sie Zweite und 1972 hinter Ellen Mundinger sowie Renate Gärtner Dritte und schaffte mit kaum 16 Jahren die Qualifikation für die Olympischen Sommerspiele – um Erfahrungen zu sammeln, wie es hieß.

In München konnte sie sich mit übersprungenen 1,76 m wie ihre deutschen Mitstreiterinnen für das Finale am 4. September 1972 qualifizieren. 80.000 Zuschauer im überfüllten Olympiastadion und Millionen vor den Fernsehgeräten wurden Zeuge, wie sich Meyfarth Sprung für Sprung im Wettbewerb hielt. Als eine der wenigen Hochspringerinnen sprang sie nicht im Straddle, sondern im Fosbury-Flop, eine Technik, die erst vier Jahre zuvor erstmals für Schlagzeilen sorgte. Statt sich mit dem Bauch voran über die Latte zu wälzen, flog sie rückwärts jeweils im ersten Versuch über 1,88 m. Wie ihre noch im Wettbewerb verbliebenen Konkurrentinnen Ilona Gusenbauer und Jordanka Blagoewa, riß sie im ersten Durchgang die 1,90 m. Das Publikum murrte, doch im zweiten Anlauf übersprang sie 1,90 m, stellte den Olympischen Rekord ein und hatte die Goldmedaille sicher. Jetzt wurde sie gefeiert – und übersprang gleich im ersten Versuch auch noch 1,92 m – neuer Olympischer Rekord und Einstellung des Weltrekordes. Meyfarth war völlig überraschend mit 16 Jahren die jüngste Leichtathletik-Olympiasiegerin aller Zeiten.

Doch glücklich wurde sie zunächst nicht, schon am Tag darauf bestimmten die Schlagzeilen über das Attentat das Olympische Geschehen – zudem war Meyfarth mit der medialen Aufmerksamkeit überfordert. Die 1,88 m große Athletin haderte mit sich und scheiterte 1976 in Montreal an der Qualifikation fürs Finale. Mit einem neuen Trainer griff sie noch einmal an, verpasste wegen des Boykotts die Spiele in Moskau und krönte sich 12 Jahre nach München 1984 in Los Angeles mit der zweiten Goldmedaille. Ihre übersprungenen 2,02 m hätten 2021 in Tokio noch für Silber gereicht.

Meyfarth wurde zum vierten Mal hintereinander Sportlerin des Jahres und beendete zufrieden ihre Karriere. 1987 heiratete die Diplom-Sportlehrerin und arbeitet als Trainerin bei Bayer Leverkusen. Nach Frankfurt kehrt sie regelmäßig zurück – zum Sportpresseball in der Alten Oper.

Rudern
Uwe Benter

Uwe Benter

Rudern

Der junge Uwe Benter nach der Siegerehrung in München im Kreis des „Bullenvierers“

Mit 16 Jahren Olympiasieger - ein Traum, der sich nur für die wenigsten Sportler erfüllt. Für den gebürtigen Frankfurter Uwe Benter ist er jedoch wahr geworden, denn am 2. September 1972 gewann er als Steuermann des bundesdeutschen Vierers, den man den „Bullenvierer“ nannte, auf der Regattastrecke in Oberschleißheim die Goldmedaille. In überlegener Manier und vor einem begeisterten Publikum hatte das von ihm geführte Boot die Konkurrenz aus der DDR und der CSSR auf die Plätze verwiesen und so die einzige Goldmedaille für den Deutschen Ruderverband (DRV) bei den Spielen von München errungen.

Erst ein Jahr zuvor war Benter, der für den Ruderclub Hassia Hanau startete, überhaupt zum Vierer mit des DRV gestoßen, mit dem er in der späteren Gold-Besetzung Berger, Färber, Auer, und Bierl sogleich die Europameisterschaft gewann. Das nötige Rüstzeug für diesen Erfolg hatte sich der junge Frankfurter vorab u.a. als Steuermann in Hanau und an Bord des Dortmunder Achters des Ruderclubs Hansa geholt, mit dem er 1971 Deutscher Meister geworden war.

Zwar hat ein Steuermann, der übrigens mindestens 55 Kilogramm wiegen muss, nicht die körperliche Höchstleistung eines Ruderers zu erbringen, wird er doch quasi ins Ziel chauffiert, aber ein Boot muss er steuern und ein Rennen lesen können. Er muss das Boot jederzeit auf Kurs halten und der Crew genau im richtigen Moment die Anweisungen für eine Erhöhung der Schlagzahl geben. Dass Benter dieses Metier bereits in jungen Jahren meisterhaft beherrschte, dürfte nicht nur einer natürlichen Begabung entsprungen sein, sondern wohl auch mit seinem älteren Bruder Lutz zusammenhängen. Er war nämlich ebenfalls Steuermann und stand u.a. im Boot des Hanauer Zweiers Hartung/Hiesinger im Finale der Olympischen Spielen 1968 in Mexico City.

Volleyball
Volker Paulus

Volker Paulus

Volleyball

Die Olympischen Spiele in München markierten für den Volleyballsport in der Bundesrepublik eine entscheidende Wendemarke, denn die bisherige Randsport erlebte anschließend einen immensen Aufschwung, so dass sich die Mitgliederzahlen in den Vereinen innerhalb weniger Jahre fast verdreifachten. Einer, der diese Entwicklung nicht nur miterlebt, sondern auch mitgestaltet hat, war der gebürtige Gießener Volker Paulus. Aber der Reihe nach.

Wie bei vielen Jugendlichen, die in den 1950er Jahren aufwuchsen und sportlich aktiv sein wollten, so standen auch bei Paulus zunächst der Fußball und die Leichtathletik im Mittelpunkt. Aber bereits 1962 hatte er auch den Volleyball für sich entdeckt und er spielte mit dem CVJM Gießen in der Hessenliga. Der sprungstarke und 1,79 Meter große Zuspieler war bald so gut, dass er bereits zwei Jahre später in der Nationalmannschaft stand und sein erstes von insgesamt 80 Länderspielen bestritt.

Die Teilnahme an den Olympischen Spielen 1972 war sicher der sportliche Höhepunkt in der aktiven Laufbahn von Paulus, wenngleich das bundesdeutsche Team in München, das als Gastgeber gesetzt war, nur eine von sechs Begegnungen gewinnen konnte und schließlich nur den elften Platz unter zwölf Teilnehmern belegte. Das Jahr 1972 hatte für Paulus aber noch aus einem anderen Grund große Bedeutung, denn es erfolgte die Gründung des USC Gießen, nachdem der CVJM seine Volleyballer quasi vor die Tür gesetzt hatte. Paulus zählte zu den Gründungsmitgliedern des neuen Clubs und diente ihm in der Folge nicht nur als Spieler und Trainer, sondern auch als Vorsitzender. Unter seiner Ägide zählte der USC 1974 nicht nur zu den Gründungsmitgliedern der Bundesliga, sondern konnte sich ab 1982 auch drei Mal in Folge die nationale Meisterschaft sowie 1984 auch den Pokal sichern.

Paulus, der seine aktive Karriere 1978 beendet hatte und als gelernter Industriekaufmann in verantwortlicher Stellung in einem großen Gießener Bauunternehmen tätig war, musste jedoch auch erleben, dass sein USC dieses Leistungsniveau nicht dauerhaft halten konnte. Der Abstieg aus der Bundesliga und der Abschied vom deutschen Spitzenvolleyball war die Folge.

Gewichtheben
Werner Schraut

Werner Schraut

Gewichtheben

Als Talent galt der 1951 in Groß-Umstadt geborene Werner Schraut schon als Teenager, zwei Deutsche (Jugend)meisterschaften verzeichnete er bereits im Alter von 15 und 16 Jahren. Dann kam dem Südhessen eine Regeländerung zu Gute: seine schwächere Disziplin, das Drücken, wurde aus dem Wettkampfprogramm gestrichen und im Reißen und Stoßen gab es für Schraut „kein Halten mehr“ wie das Darmstädter Echo berichtete. Weitere nationale Titel im Jugend- und Aktivenbereich folgten, darunter 7 Deutsche Meisterschaften sowie EM-Silber und WM-Bronze. Bei einer Größe von 1,60 m startete er im Leichtgewicht.

1972 in München und 1976 nahm er an den Olympischen Spielen teil, die Plätze 12 und 7 erreichte Schraut dabei. Als „eines der größten Talente im Gewichtheben nicht nur in Hessen, sondern in der ganzen Bundesrepublik“, würdigte ihn sein Verein, der AV Vorwärts Groß-Zimmern, nach seinem Tod 2018. „Unangepasst“ sei Schraut gewesen, so dass er sich 1978 mit dem Verband überwarf und nach 1979 nicht mehr international antrat. Seine Karriere auf nationaler Ebene beendete er 1982 im Alter von nur 31 Jahren.

Gehen
Wilfried Wesch

Wilfried Wesch

Gehen

Wilfried Wesch wurde 1971 Deutscher Meister im 20-km-Gehen. Im selben Jahr gewann er die Deutsche Hallenmeisterschaft über die 10 km. Beruflich war Wesch Anfang der 1970er Jahre in London tätig, als leitender Direktor eines Hotels verbrachte er viel Zeit an der Themse. Dank dem Engagement der Steigenberger AG, die die Eintracht damals schon unterstützte, kam Wilfried Wesch Anfang 1972 zurück nach Frankfurt, wo er fortan im Steigenberger-Hotel als Direktionsassistent arbeitete. Hier konnte er regelmäßig mit seinen Geherkollegen Magnor, Nermerich und Schuster und unter der Aufsicht von Trainer Hans Stahl trainieren. Wilfried Wesch qualifizierte sich gemeinsam mit Horst-Rüdiger Magnor für die Olympischen Spiele in München. „Vielleicht kommt mir etwas zugute, dass ich lange in England lebte und internationale Erfahrungen sammeln konnte. Die britischen Geher zählten ja schon immer zur internationalen Spitzenklasse. Mit einem Platz unter den ersten Zehn wäre ich zufrieden“, verkündete Wesch in einem Interview vor den Spielen. Das sollte nicht klappen. Er startete am 31. August 1972 beim 20-km-Gehen der Männer, Start und Ziel waren das Olympiastadion. Doch der Wettbewerb lief enttäuschend, Wesch belegte am Ende Platz 16.

Die Olympischen Spiele 1972 bildeten eine Zäsur für die Eintracht-Geher. Bernhard Nermerich, der sich nicht qualifiziert hatte, verließ den Verein, Magnor widmete sich nach den Spielen seinem Medizinstudium. Und Wilfried Wesch verließ die Steigenberger AG und wurde Geschäftsführer eines Hotels in Herzogenaurach. Nach seiner aktiven Karriere arbeitete er im Vorstand des Deutschen Tennisbundes, er war für Regelkunde und Schiedsrichterwesen zuständig. In dieser Zeit war er auch Schiedsrichter auf der ATP-Tour.

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